Bildung braucht Bindung – Kindsein in der Schule

Durch die gesellschaftlichen Veränderungen beginnt für Kinder der außerfamiliäre, institutionelle Bildungsweg schon recht früh. Die Schulen entwickeln sich für Kinder immer mehr von einer reinen Lerninstitution zum Lebensraum. Die Welt von Kindern und Jugendlichen sieht in der heutigen Zeit um vieles anders aus als die Lebenswelt ihrer Eltern, als diese Kinder waren. Studien belegen, dass sie mit vielfältigen Anforderungen zurechtkommen müssen und sich häufig sehr unter Druck gesetzt fühlen. Oft werden sie nicht wie Kinder und Jugendliche behandelt, sondern eher wie kleine Erwachsene. Heute gilt: Für einen guten Start ins Erwachsenenleben sollte jedes Kind die bestmögliche schulische Bildung erhalten. Haupt- und Realschulabschluss haben an Bedeutung verloren. Das Abitur wird zum Maßstab aller Dinge. Es wird von frühester Kindheit an eine Vielzahl von Bildungsangeboten an Eltern und ihre Kinder herangetragen. Oftmals gewinnt man den Eindruck, dass die Kindheit als Wert an sich in Gefahr ist.

Viele setzen sich dafür ein, dass dies nicht geschieht, ohne dass der Bildungsgedanke abgelehnt wird. Zu ihnen gehören auch die Eltern, die sich in der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) zusammengeschlossen haben. Die KED hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Rolle der Eltern zu stärken und in Politik und Gesellschaft für eine wertegebundene Bildung und Erziehung einzutreten, zum Beispiel auch für die Aufrechterhaltung des Religionsunterrichts zu plädieren. Die KED bemüht sich darum, wieder mehr ins Licht zu rücken, dass Bildung mehr braucht als verwertbares Wissen.

Kinder sollen nach ihren Fähigkeiten gefordert und gefördert werden. Sie brauchen Gelassenheit und Geduld, Vertrauen zu sich selbst und ihren Fähigkeiten und das Vertrauen all derer, die sie erziehen und bilden wollen. Sie brauchen Bindung. Die Persönlichkeit des Kindes mit allen seinen Sinnen soll im Mittelpunkt von Bildung und Erziehung stehen. Jedes Kind soll um seiner selbst Willen geliebt werden und nicht wegen seiner (schulischen) Leistungen. Dazu gehört ein intensiver Austausch zwischen Schule und Elternhaus. Idealerweise ist die Familie ein wichtiger Ort für Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern und Lehrer sich gemeinsam als Erziehungspartner für die Kinder verstehen.

Oft sind Kinder ebenso verplant wie die Erwachsenen, eingebunden in eine Welt von Terminen. Kinder brauchen Zeit, um Gelerntes zu verarbeiten, und auch „Langeweile“, um kreativ zu werden, sozusagen eine „schöpferische Pause“ inmitten der „Eventkultur“. Vielen Kindern ist es nur selten möglich, einfach „nur“ zu spielen oder sich spontan mit Gleichaltrigen zu verabreden. Wünschenswert ist in den Augen der KED, dass Eltern und Pädagogen von Kindertagesstätten und Schulen, so weit es geht, zusammenarbeiten, um Kindern Freiräume zu schaffen und ihnen zu helfen, sich in ihrer Persönlichkeit bestmöglich zu entwickeln. Die KED setzt sich auch dafür ein, dass das Spektrum der Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern in Ganztagsschulen breit gestreut ist. Außer Sportvereinen und kulturellen Trägern wie z. B. Musikschulen und Museen bietet sich für die örtlichen Kirchengemeinden ein breites Feld der Betätigung, um mit Kindern und auch mit den Eltern in engeren Kontakt zu kommen. Eltern und Schulen können mit Hilfe der Kirchengemeinden, ihrer Seelsorger und Angebote christliche Werte auch außerhalb der Familien (wieder) bekannt machen und vermitteln.

Schulkinder bleiben Kinder, auch wenn sie hohen und bisweilen nicht kindgerechten Anforderungen von verschiedenen Seiten ausgesetzt sind. Das Gelingen von Bildung und Erziehung in einem für jedes Kind individuellen Maß ist auch abhängig davon, wie es sich als Mensch angenommen und beschützt fühlt. Dass Kinder sich ihrer Bindungen sicher sein und in einer vertrauensvollen Umgebung heranwachsen können, können Eltern und Erzieher durch partnerschaftliche Zusammenarbeit in Erziehung und Bildung sowie in der Vermittlung von Werten fördern.

Sylvia van Schelve (stellv. Vors. der KED im Bistum Münster; www.katholische-elternschaft.de)