„Die heftigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten seit dem siebten Oktober haben eines deutlich gemacht: gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ist grausame Realität.“ Mit diesen analytisch-schockierenden Worten steigt Winfried Verburg, der Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Osnabrück e.V und ehem. Leiter der Schulabteilung und der Schulstiftung im Bistum Osnabrück, in das Thema der digitalen Info-Veranstaltung „Antisemitismus, Islamophobie, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – Herausforderung für Gesellschaft, Schulen und Eltern“ der KED-Münster ein.
Marie-Theres Kastner, Vorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) im Bistum Münster, ergänzt: „Den respektvollen Dialog von Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zu fördern und weiterzuentwickeln, ist nicht erst seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel eine Aufgabe, der wir uns auch hier vor unserer Haustür stellen müssen. Wie das in Gesellschaft, Kirchen und vor allem schon in Schulen beginnen kann, dazu soll dieser Abend einen Fingerzeig geben.“
„Die Geschäftsführerin der liberalen, jüdischen Gemeinden in Hannover hat mir erzählt, dass Eltern aus der Gemeinde es erlebt hätten, dass ihre Tochter nach dem siebten Oktober massiv unter Druck gesetzt worden sei. Sie geht auf eine Gesamtschule, ist dort die einzige jüdische Schülerin in einer Klasse von 21 Schülerinnen und Schülern. Zehn muslimische Jungs hätten sie bedroht. Und die Reaktion der Schulleitung? Die Eltern wurden gebeten, ihre Tochter doch ein paar Tage zu Hause zu lassen“, empört sich Verburg. Das ,was da passiere, sei wieder die klassische Täter-Opfer-Umkehr: „Diejenigen, die das Problem verursachen, die können weiter zur Schule gehen und die jüdische Schülerin wird in dem Sinne bestraft. Das ist Realität in Deutschland.“
Wie in der Schule über das Judentum gesprochen werde und dass klare Kante gegen Antisemitismus gezeigt wird, das ist Winfried Verburg wichtig. „Für das Thema Antisemitismus-Prävention setzen wir uns an den Stiftungsschulen und an den evangelischen Schulen ein, weil Antisemitismus ein virulentes Thema war und leider immer noch ist.“ Es sei wichtig, klar Stellung zu beziehen und junge Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. „Wenn ich morgen eine Gesellschaft haben will, in der es weniger Antisemitismus gibt als heute, muss ich heute in Schulen aktiv werden.“
Deshalb habe er zu seiner Zeit als Abteilungsleiter für Schulen und Hochschulen im Bischöflichen Generalvikariat des Bistums Osnabrück unter dem Motto „Zusammen gegen Antisemitismus“ ein Gütesiegel für die kirchlichen Schulen angestoßen. „Unsere Überlegung ist dabei, nicht nur punktuell mit Einzelaktionen Flagge zu zeigen, sondern über eine strukturelle Verankerung des Themas in den kirchlichen Schulen Akzente zu setzen und Impulse zu geben. Ich glaube, es steht Christinnen und Christen sehr gut an, auch aus theologischen Gründen gegen jegliche Diskriminierung von Jüdinnen und Juden anzugehen.“
Wichtig sei dabei, dass die Präventionsarbeit gegen Antisemitismus und die Intervention, also das Einschreiten gegen antisemitische Äußerungen, im Schulleben ihren festen Platz habe. Und dass Thema fächerübergreifend bearbeitet werde, zum Beispiel im Deutsch-, Politik-, Geschichts- und Religionsunterricht und dazu in Konferenzen und Elternabenden. Das Judentum werde zum Beispiel im Religionsunterricht in der Regel immer noch als Fremdreligion wahrgenommen. „Wenn wir uns allerdings an die Metapher von Paulus im Römerbrief erinnern, nach der das Christentum ein in die Wurzel des Judentums eingepfropfter neuer Steckling ist, sind wir keine Fremd-Religionen. Dem Steckling kann es nicht egal sein, wie es der Wurzel geht.“ Papst Johannes Paul II. habe von geschwisterlichen Religionen gesprochen. „Das müssen wir im Religionsunterricht noch deutlicher machen.“