„Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Corona ist wie ein Brennglas! Unbarmherzig und ungeschminkt zeigt es die Stärken und Schwächen in unserem Land auf“, fasst Marie-Theres Kastner, Diözesanvorsitzende der Katholischen Elternschaft Deutschland (KED) im Bistum Münster e.V., die Auswirkungen der Pandemie zusammen. „Das gilt in ganz besonderem Maß für die Auswirkungen auf unsere Kinder und Jugendlichen. Und Corona verändert das System Schule dramatisch.“ Das ist ein Ergebnis der zweiten großen Studie der KED, die eine Befragung zum Thema „Lernen zu Hause im zweiten Lockdown“ an den katholischen Schulen in Deutschland durchgeführt hat.
Dabei wurden wie bei der ersten Befragung im Frühjahr 2020 erneut rund 10.000 Eltern, Schüler und Lehrer befragt. Zusätzlich wurden Seminare und Gespräche mit Schulpsychologen, Kinder- und Jugendpsychiatern und -psychologen und Eltern an staatlichen Schulen geführt, damit die Erkenntnisse erweitert werden konnten.
„Die Krise legt schonungslos die Schwächen des deutschen Bildungssystems offen und verändert zugleich die sozialen Beziehungen im Dreieck zwischen Schülern, Eltern und Lehrer“, bringt es die Diözesanvorsitzende auf den Punkt. Wobei sie positiv hervorhebt, dass sich technisch und didaktisch die Situation trotz verbliebener Mängel beim Distanzunterricht spürbar verbessert habe. „Das seelische Befinden vieler Kinder – und auch Lehrer – hat sich dagegen merklich verschlechtert. Daher gilt es bei allen politischen Abwägungsprozessen, verstärkt das Kindeswohl im Auge zu behalten.“
Als weitere Haupterkenntnisse der zweiten Studie, im Vergleich zur ersten Mitte vergangenen Jahres, lässt sich zusammenfassen, dass knapp 80 Prozent der Schulen im zweiten Lockdown bessere Konzepte für den Distanzunterricht entwickelt hätten. Dennoch seien sich über 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler sicher, „dass sie es nicht schaffen werden, ihre Defizite aufzuholen. Über Zweidrittel gaben sogar an, dass sie glauben, dass durch Corona die ungleichen Lebenschancen in unserer Gesellschaft stark oder zumindest etwas zunehmen werden“, führt der KED-Vorsitzende aus.
„Für die KED als katholischer Elternverband wiegt die Erkenntnis schwer, dass etwa ein Drittel der Schüler mit dem Lernen auf Distanz nicht zurechtgekommen ist.“ Das gelte ganz besonders, wenn man berücksichtige, dass sich an der Umfrage vor allem die Online-Affinen beteiligt hätten. „Seit vielen Jahren versuchen alle im Bildungsbereich Tätigen ihr Möglichstes, um mehr Bildungs-gerechtigkeit herbeizuführen. Diese muss als oberste Ziele wieder in den Mittelpunkt des politischen Handelns gerückt werden. Die Coronakrise hat uns leider von diesem Ziel wieder entfernt.“
Die Studie zeige zudem, dass das Zusammen¬leben in den Familien er¬heb¬lich belastet sei: Eltern ganz oder teilweise im Home¬office, in Kurzarbeit oder mit Existenz¬sorgen, Schüler im Homeschooling, beengte Wohn¬ver¬hält¬nisse. „Dazu kommt, dass im zweiten Lockdown die zu bewältigenden Aufgaben zum Teil schwieriger waren, weil allein aufgrund der Dauer der Schulschließun¬gen nicht nur bereits erarbeiteter Stoff wiederholt, sondern zunehmend neuer Stoff eigenständig erarbeitet werden musste.“ Dadurch sahen sich viele Eltern vor eine neue Situation gestellt: Einerseits mussten sie ihre eigene Lebenssituation oder ihre Aufgaben im Homeoffice bewältigen, andererseits wollten sie natürlich soweit wie möglich ihre Kinder unterstützen.
Auch seien Schulen und Kindertageseinrichtungen nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch Sozialräume. Die Schul-Schließungen hätten zu seelischen und sozialen Schäden geführt. Kinder und Jugendliche haben Angst um ihre Zukunfts- und Lebenschancen. Sie haben Angst, Nähe zuzulassen und damit sich und auch andere mit Corona anzustecken. Kinder fühlen sich isoliert auf Grund der fehlenden sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen, zu Erziehern und Lehrern, zu ihren Großfamilien und Nachbarn. „Es gilt vor allem, den Kindern und Jugendlichen einen Alltag ohne Angst und Sorge zurückzugeben und neues Vertrauen in die Zukunft zu schaffen. Bei der Abwägung aller Risiken ist den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen ein ebenso hoher Stellenwert einzuräumen wie zum Beispiel der Wirtschaft“, fordert Kastner.